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Lektion 19
9 min

Was ist ein Derivat?

Wie du bereits in unseren vorangegangenen Lektionen gelernt hast, sind Wertpapiere handelbare Finanzanlagen wie Aktien, Anleihen, Banknoten und andere. Ein Derivat ist, wie der Name schon sagt, ein sekundäres Wertpapier, das von einem anderen Wertpapier abgeleitet ist.

  • Derivate sind Finanzprodukte, deren Preise, Risiken und grundlegende Laufzeitstruktur von einem zugrunde liegenden Vermögenswert oder von Kurs- und Zinsentwicklungen, Indizes, etc. abgeleitet werden

  • Privatanleger setzen Derivate hauptsächlich zu Spekulationszwecken oder zur Absicherung gegen Preis-, Währungs- und Wechselkursrisiken ein

  • Derivate eignen sich nur für erfahrene Anleger

  • Die wichtigsten Arten von Derivaten sind Forwards (unbedingte, OTC gehandelte Termingeschäfte), Swaps (Tauschvereinbarungen), Optionen und Futures (standardisierte & börsengehandelte Termingeschäfte)

In dieser Lektion lernst du die Grundlagen der Derivate.

VORSICHT: Derivate sind hochriskante Produkte und eignen sich nur für erfahrene und fortgeschrittene Anleger, die über ein fundiertes Wissen über Finanz- und Kapitalmärkte verfügen.

Dass Derivate als hochriskante Anlageinstrumente gelten, ist allgemein bekannt. Nichtsdestotrotz zählen sie zu den wichtigsten finanziellen Innovationen der letzten Jahrzehnte, da sie versuchen, eines der größten Probleme des Anlagerisikos zu lösen: Illiquidität (Liquiditätsmangel).

Was ist Illiquidität?

Wenn ein Vermögenswert (Asset) “nicht liquide” ist, kann man ihn schwer verkaufen, also zum Beispiel in Geld umwandeln. Dies kann insbesondere für materielle Vermögenswerte wie Immobilien, Rohstoffe wie Öl, Reis und ähnliche gelten. Eine Lösung des Problems der geringen Liquidität die Verbriefung (Zusicherung) von Vermögenswerten. 

Was ist ein Derivat?

Das Wort “Derivat” hat seinen Ursprung im lateinischen Verb “derivare”. Das bedeutet so etwas wie “Flüssigkeiten von etwas weg in einen Kanal ziehen”. Ein Derivat im einfachsten Sinne ist also etwas, das auf etwas anderem beruht oder eine Erweiterung von etwas anderem ist. In der Sprache der Finanzen ist ein Derivat ein Finanzkontrakt, dessen Wert auf einem Basiswert basiert.

Basiswerte von Derivaten können Aktien, Anleihen, Zinssätze, Indizes, Rohstoffe, Währungen und andere Finanzprodukte sein. Wenn sich der Wert eines Basiswerts ändert, ändert sich auch der Wert des Derivats.

Verbriefung

Die “Verbriefung” eines Vermögenswerts bedeutet, schriftlich auf Papier festzuhalten, wem der Vermögenswert zu welchen Bedingungen gehört. Durch die Verbriefung werden die verbrieften Vermögenswerte als fungible Anlageprodukte betrachtet. “Fungibel” heißt, dass sie nun als “Wertpapiere” gehandelt, gekauft und verkauft werden können. Die Verbriefung eines Vermögenswerts erleichtert dessen Übertragen zwischen Parteien. Infolgedessen verleiht die Verbriefung einem Vermögenswert grundsätzlich Liquidität. Der Vermögenswert kann nun viel einfacher in Bargeld umgewandelt werden. 

Ein Derivat ist eine verbindliche Vereinbarung, deren Wert auf einem Basiswert beruht. Wenn sich dieser Basiswert verändert, verändert sich auch der Wert des Derivats. 

Sind Derivate also Wertpapiere?

Derivate werden auf verschiedene Arten klassifiziert. Eine dieser Einteilungsmöglichkeiten ist die Unterscheidung zwischen verbrieften und nicht verbrieften Derivaten. Derivate werden in der Regel an Börsen (börsengehandelte Derivate) oder außerbörslich (OTC - Over-the-Counter) gehandelt. 

Bei verbrieften Derivaten handelt es sich um stark regulierte Wertpapiere, die die strengen Anforderungen an Clearing und Meldepflichten erfüllen müssen. Ein Beispiel für ein verbrieftes Derivat ist ein Optionsschein, den wir uns später genauer ansehen.

Vorsicht: Die Bezeichnungen der einzelnen Produkte bei verbrieften Derivaten sind oft nicht standardisiert, sodass der Anleger den Verkaufsprospekt genau analysieren muss, um die Spezifika zu ermitteln.

 

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Absicherung (Hedging) gegen Risiken

Derivate werden hauptsächlich zu zwei Zwecken eingesetzt: zur Spekulation oder zur Absicherung (Hedging) gegen Preis-, Währungs- und Wechselkursrisiken.

Nehmen wir das Beispiel eines Bohnenbauers, der mit einem Hersteller von Chilidosen Geschäfte macht. Der Bohnenpreis basiert auf dem Angebot und der Nachfrage nach Bohnen. Offensichtlich ist es im Interesse des Bohnenbauers, dass der Bohnenpreis hoch ist, um so viel Geld wie möglich für den Verkauf seiner Bohnen an den Produzenten zu erhalten. Auf der anderen Seite ist es im Interesse des Produzenten, dass der Bohnenpreis niedrig ist, damit er so wenig wie möglich für die Bohnen zahlen muss, die er vom Landwirt kauft.

Was bedeutet “hedgen”?

Nehmen wir an, der Bohnenbauer erwartet, dass der Bohnenpreis fällt und der Produzent erwartet, dass der Bohnenpreis steigt. Aus diesem Grund schließen die beiden Parteien nun einen Vertrag ab, der besagt, dass eine bestimmte Menge Bohnen zu einem bestimmten Preis zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft verkauft wird, unabhängig vom zukünftigen Marktpreis zu diesem Zeitpunkt. Diese Art von Derivat wird Terminkontrakt genannt (oft nur als "Forward" bezeichnet) und bedeutet, dass die beiden Parteien einen Preis festgelegt haben, zu dem der Farmer die Bohnen an den Produzenten verkaufen wird - ähnlich wie bei einer Art Versicherungspolizze. 

Warum machen sie das? Einerseits möchte sich der Landwirt gegen zukünftige Preissenkungen absichern" (um seine möglichen Verluste zu reduzieren). Andererseits will sich der Produzent gegen einen möglichen Anstieg des Bohnenpreises absichern. Wenn der Bohnenpreis fällt, macht der Produzent Verluste, weil er die Bohnen billiger hätte kaufen können. Wenn der Bohnenpreis am Ende steigt, macht der Landwirt Verluste, weil er die Bohnen zu einem höheren Preis hätte verkaufen können. Daher kann am Ende nur das Interesse einer der beiden Parteien erfüllt werden.

Ein Öl-Terminkontrakt ist eine Vereinbarung über den Kauf oder Verkauf einer bestimmten Anzahl von Fässern mit einer bestimmten Menge Öl zu einem bestimmten Preis zu einem bestimmten Ausführungsdatum.

Was ist Spekulation?

Ein weiterer Grund für die Beliebtheit von Derivaten ist der Zweck der Spekulation. Zur Erinnerung: Spekulation bedeutet, dass ein Anleger eine Transaktion in der Hoffnung eingeht, bedeutende Gewinne zu erzielen, wobei auch ein erhebliches Risiko besteht. Spekulanten investieren ausschließlich mit dem Ziel, hohe Gewinne zu erzielen. Wie du in unserem obigen Beispiel des Termingeschäfts mit dem Bohnenbauern und dem Chili-Produzenten gesehen hast, sind Termingeschäfte nicht unbedingt standardisiert, werden an einer Börse gehandelt oder sind reguliert. 

Während Wertpapiere wie Aktien und Anleihen auf dem sogenannten Kassamarkt oder Spotmarkt zur sofortigen Zahlung und Lieferung gehandelt werden, werden Derivate wie Futures und Optionen auf dem Terminmarkt gehandelt.

Was sind Futures?

Futures hingegen sind ähnlich wie Forwards, nur dass sie standardisiert und reguliert sind sowie an Börsen gehandelt werden, vor allem in Verbindung mit Rohstoffen wie Öl, Orangensaft, Edelmetallen und vielen anderen. 

Ein Öl-Futures-Kontrakt ist beispielsweise eine Vereinbarung, eine bestimmte Anzahl von Fässern mit einer bestimmten Menge Öl zu einem bestimmten Preis zu einem bestimmten Ausführungsdatum zu kaufen oder zu verkaufen. Der Terminkontrakt verpflichtet den Verkäufer zum Verkauf und den Käufer zum Kauf in jedem Fall, während sie auf die zukünftige Preisentwicklung des zugrunde liegenden Vermögenswerts spekulieren. 

Nicht verbriefte Derivate sind grundsätzlich Termingeschäfte, deren Handel über Terminbörsen oder OTC-Handelsplattformen abgewickelt wird. Zu den nicht verbrieften Derivaten gehören Futures und Optionen, die an Terminbörsen gehandelt werden, wie zum Beispiel EUREX. 

Was ist eine Option auf den Finanzmärkten?

Bei der Investition in eine Option haben Anleger das Recht, zu einem bestimmten Preis einen Vermögenswert zu kaufen oder zu verkaufen, aber nicht die Verpflichtung, dies zu tun, wenn sie sich dagegen entscheiden. Wie der Name schon verrät, handelt es sich um eine "Option". Es ist ein vertragliches Instrument, das dem Käufer besondere Rechte zum Kauf einräumt. 

Was ist eine Call-Option (Kaufsoption)?

Optionen gelten als eine der risikoreichsten Arten von Investitionen, und man unterscheidet zwei Arten: Call-Optionen erlauben dem Käufer, einen Vermögenswert, wie z.B. eine Aktie, zu einem festgelegten Preis – dem sogenannten "Ausübungspreis" – innerhalb der im Vertrag festgelegten Zeitspanne zu kaufen. In diesem Fall ist die Stimmung des Käufers bullisch und die Stimmung des Verkäufers bärisch. Das heißt, der Käufer ist der Annahme, dass der Aktienkurs steigt, während der Verkäufer damit rechnet, dass der Aktienkurs fällt. Optionsscheine hingegen berechtigen den Inhaber des Optionsscheins zum Kauf einer Aktie zu einem festen Preis (dem Ausübungspreis) bis zu einem bestimmten Datum. 

Was ist eine Put-Option (Verkaufsoption)?

Bei einer Put-Option hat der Inhaber die Option, einen Vermögenswert innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens zu einem festgelegten Preis zu verkaufen. In diesem Fall ist die Stimmung des Verkäufers bullisch und die des Käufers bärisch, d.h. der Käufer erwartet einen Kursrückgang, während ein potenzieller Verkäufer erwartet, dass der Kurs steigt oder gleich bleibt.

"Ausüben einer Option" bedeutet, dass die Halter von dem Recht Gebrauch machen, zu einem festgelegten Zeitpunkt zu kaufen oder zu verkaufen.

In jedem Fall kann die Option bis zu einem bestimmten im Vertrag festgelegten Datum ausgeübt werden. In diesem Fall bedeutet "ausgeübt", dass die Halter von dem Recht Gebrauch machen, zu diesem festgelegten Zeitpunkt zu kaufen oder zu verkaufen.

So wird zum Beispiel der Halter einer Call-Option eine Option ausführen, wenn der Marktpreis des Basiswerts über dem ausgemachten Preis liegt. Wenn der vereinbarte Preis höher als der aktuelle Marktpreis ist, wird der Halter seine Option nicht ausführen, sondern zu Marktpreisen kaufen. 

Swaps

Swaps sind eine fortschrittliche Art von Derivatkontrakten. Sie gelten als die erfolgreichste Finanzinnovation der letzten Jahre. Swap-Geschäfte werden individuell und privat zwischen den Vertragspartnern Over-the-Counter (OTC) vereinbart. Sie werden nicht öffentlich gehandelt. 

Die meisten Swaps werden von Banken mit anderen Kreditinstituten oder Nicht-Banken abgeschlossen. Das besondere Risiko von Swaps für Banken liegt in der Laufzeit eines Swap-Geschäfts, da sich der Marktwert des Swap-Geschäfts während der vertraglich festgelegten Laufzeit ändern kann.

Arbitrage

Im Rahmen eines Swaps schließen die Parteien einen Vertrag über den Austausch gegensätzlicher zukünftiger Cashflows (Zahlungsströme), nämlich einer Forderung oder eines anderen Vermögenswerts und einer Verbindlichkeit. Getauscht werden Forderungen oder Verbindlichkeiten in der gleichen Währung oder in zwei verschiedenen Währungen. Dies geschieht mit dem Ziel der Arbitrage. Das bedeutet, dass die Unternehmen von einem Vorteil profitieren, z.B. von Preis-, Zins-, Renditeunterschieden oder anderen Faktoren. 

Vorhersage von Entwicklungen

Swap-Geschäfte basieren meist auf Zinssätzen oder Währungen. Im Rahmen eines Zinsswaps werden Zinszahlungsverpflichtungen in einer Währung über die im Vertrag festgelegte Laufzeit getauscht. Im Rahmen eines Währungsswaps werden Forderungen und Verbindlichkeiten in unterschiedlichen Währungen getauscht. 

So tauscht z.B. Bank A eine festverzinste Forderung gegen eine variabel verzinste Forderung von Bank B, um das Risiko von Zinsschwankungen zu verringern oder zu erhöhen bzw. um einen geringfügig niedrigeren Zinssatz zu erhalten. 

Da sich die Kreditzinsen (Darlehenszinsen) an der Marktentwicklung orientieren, ist ein Zinsswap letztlich eine Art Wette, die derjenige gewinnt, der die Entwicklung besser vorhersehen konnte. Wenn die Bank, die den Swap anbietet, die Entwicklung richtig vorhergesagt hat, macht sie einen Gewinn aus der Differenz zwischen dem festgelegten Zinssatz und der tatsächlichen Zinsverpflichtung.

Kontroverse Anlageklasse

Der Handel mit derivativen Vermögenswerten ist oft der Grund für große Kontroversen in der Finanzlandschaft. Der bisher berüchtigtste Vorfall im Zusammenhang mit Swaps ereignete sich 1995, als ein britischer Derivatehändler namens Nick Leeson durch riskante Spekulationen massive Verluste erlitt. 

Infolge unzureichender Kontrollmechanismen verursachten die Geschäfte von Leeson den Zusammenbruch der ältesten Investmentbank Großbritanniens, der Barings Bank. Leesons Spekulationen führten letztlich zu einer weltweiten Währungskrise, weil der Britische Pfund enorm unter Druck geriet. Es dauerte tatsächlich fast ein Jahr, bis sich die Finanzmärkte halbwegs erholt hatten. 

Wie du siehst, betonen wir nicht umsonst, dass ein fundiertes Finanzwissen und gute Kenntnisse über steuerliche Aspekte Voraussetzung für den Handel mit Derivaten sind. Daher ist der Derivatehandel nur für erfahrene Trader zu empfehlen. 

In unserer nächsten Lektion lernst du das magische Dreieck der Geldanlage kennen und erfährst, warum es für Anleger wichtig ist.

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